Rorschach, Waisenhaus

(später Kinderheim)

Kommentar

Diese Liste war ursprünglich als Forum aufgesetzt. Sie finden hier einzelne Kommentare und Dialoge von Betroffenen oder anderen Interessierten.

Zwischen einigermassen «fürsorglich» und «Fertigmachen»

Diese Konversation stammt von der alten Forumsseite von kinderheime-schweiz.ch. Um eine chronologische Übersicht über den Austausch der Nutzer:innen Poldi und Lilly darzustellen, wurde der gesamte Verlauf in diesem Kommentar gesammelt.

Während des ca. 12-jährigen Aufenthaltes (Einweisung als etwa 3 1/2- jähriger gemäss Art. 311 / 368 ZGB) habe ich die (Ingenbohler-) Nonnen als einigermassen fürsorglich für die über 40 Kinder (im Alter Säugling bis über 18) erlebt. Von «aussen» (Lehrer, Fürsorge- Behörde, etc.) erlebten wir mehr Fertigmachen, Gewalt, Uebergriffe und Missbrauch. Der einen und dem anderen (Waisehüsler) «Heimkind» sind Namen wie Dudle, Forrer, Röllin, Steiner, Traber, etc. (Fürsorge / Vormundschaft, Lehrerschaft oder Andere) noch Heute in (unschöner) Erinnerung.

Trotzdem, das Leben ging weiter, das Leben geht weiter. Die meisten haben den Weg irgendwie geschafft, – Einige gut und problemlos, Andere etwas schwerer, Einzelne leiden noch immer, wenige sind ganz zerbrochen.

Ich freue mich über jedes Echo, diverse Ehemalige sind an einem Kontakt (evtl. Treffen) interessiert. Mail: poldi.r@bluewin.ch

poldi
28.11.2010

 

Ich war auch im Kinderheim Rorschach von 1965-1972. Diese Zeit, ich habe sie bis heute nicht verarbeitet. Das Kind einer ledigen zu sein war schon schwierig. Dann wurde mann ins Heim gesteckt und dann kam, wie Poldi schon sagte, dieser Psychoterror dazu. Es fehlte die Mutter. Und immer die Angst, man komme nie mehr raus. Vorallem wusste man nie, wem man vertrauen konnte. Wir wurden für Sachen bestrafft, die nicht erwähnenswert gewesen wären. Ja, da gäbe es noch sehr viel zu sagen.

Lilly
28.02.2011

 

Dieser Beitrag wurde in einem anderen Forum vor einiger Zeit veröffentlicht.
«Die Jugendzeit im «Waisenhaus» in Rorschach war sicher sehr streng, die unschönen Dinge (körperliche und seelische Gewalt, sexuelle Überfgriffe, etc.) passierten jedoch durch Aussenstehende (Fürsorger, Lehrer, usw.), ein «Waisenhäusler» war ein «unwertes Nichts», ein Objekt. Die Ingenbohler – Schwestern während meines >10- jährigen Aufenthaltes behandelten uns (mehr oder weniger) korrekt, diejenigen davor sollen ihre DOMINAnz an den über 40 Kindern ausgelebt haben.»

Obwohl meine Erinnerung an einzelne Ereignisse detailliert bis zum Alter von 17 Monaten zurückreich, muss bei einigen Vorkommnissen eine Art Selbstschutz der Seele stattgefunden haben, anders kann ich mir gewisse «Schatten in der Erinnerung» nicht vorstellen. Kontakte mit älteren «Ehemaligen» versicherten mir, dass auch ich (als noch nicht 4-jähriger) von den samstäglichen Prügelorgien und Tatzenstrafen «profitieren» durfte. Dies hat mich in diesem Fall «zu wenig» Nachhaltig geprägt, meine Negativerinnerungen sind eher ausserhalb des Hauses angesiedelt. Ich sehe wohl die Keller – Treppe mit den wartenden Kindern in einer Kolonne, die (normalerweise verschlossene) weisse untere zum Kellergang führende Türe geöffnet und die schlagende Nonne wie in einem Film. Ich weiss, dass zurückziehen der Hand doppelte Strafe nach sich zog, dass die (kräftigen) Tatzenhiebe nach einer Liste ausgeführt und abgezählt wurden.Bis jetzt waren für mich diese Szenen «ein Produkt meiner Phantasie». Ich glaubte, diese Bilder seien aus den realitätsnahen Schilderungen der älteren Kinder entstanden.

Diese Vorkommnisse fanden auf jeden Fall vor der Zeit der Ingenbohler-Nonne und Oberin Sr. Avarez (?.Brodbeck) [+sel.] statt. Bettnässer waren jedoch die Opfer ihres Leidens. War ein Kind als Bettnässer «ausgemacht», fanden während der Nacht des öfteren Kontrollen statt.Die «diensthabende» Nonne, welche bis kurz vor Mitternacht in ihrem Gebetsbuch lesend die zwei langen Korridore* durchschritt, machte in einem solchen Fall periodische «Tastuntersuchungen». War das Laken nass, wurde erbarmungslos geweckt, das Bett musste abgezogen und die nasse Bettwäsche in der (kalten) Waschküche händisch ausgewaschen werden. Selbstverständlich gab es nach keine Ersatzwäsche, war die Matraze auch nass, wurde ohne Laken und ohne Decke eine trockene Ecke gesucht (notfalls der Fussboden). Mit dieser Prozedur erhoffte man eine «Gesundung».

*die Mädchen- und die Bubenabteilungen waren durch grosse Türen getrennt, das Haus hatte getrennte Treppenhäuser. Die Türen waren zwar nicht verschlossen, die Nonnen durchschritten diese unter Tage, sowie des Nachts während ihren «Rundgängen». Bei gewissen Anlässen durften diese Türen durchschritten werden.[als der Schreibende durch sukzessive Austritte der älteste der Buben wurde, hatte er u.a. die Funktion des «Blocherbedieners», er musste mit der Bodenpflege in jedem Raum die Linoleumböden reinigen. Damit waren weder Mädchen- noch Nonnenzimmer (diese unter Beobachtung) vor meinem «Besuch» gefeit.

Dass einige von uns durch Aussenstehende Missbraucht, Ars.. – oder anderweitig gef…t wurden, dass körperlich und seelisch Dinge vorkamen, die nicht angebracht waren, darf nicht immer (direkt) den Erziehungsverantwortlichen angelastet werden. Wir spürten / merkten (vor allem ausserhalb des Hauses), dass wir «nicht viel wert» sind. Erwachsenen (vor allem Amtspersonen und Vorgesetzten) wird nicht widersprochen, Gehorsamkeit, Dankbarkeit und Unterwürfigkeit war gut, manchmal unabdingbar. Mein Körper gehört mir oder da fühle ich mich nicht mehr wohl, das geht mir zu weit wurde leider erst im 21. Jahrhundert «erfunden» (und man[n] hält sich je nach Wetterlage [oder hormonellem Befinden] mehr oder weniger daran). Hier gehörten die Namen all der Abwarte, Geistlichen, Lehrpersonen, Vormünder und anderen «lieben Leuten» hin, welche die Situation bzw. uns (zur befriedigung ihrer animalischen oder sonstigen Triebe) ausgenutzt haben es ist Einigen ein Anliegen (und mir eine Freude), im Verlaufe der Schilderungen einige Namen nachzureichen. «Verräter» und «Schleimer» hatten wohl «gegen oben» Vorteile, unter uns Zöglingen wurden sie weniger geschätzt (Mobbing im heutigen Stil gab es damals nicht, vielleicht mal abschlagen oder ausgrenzen).

poldi
05.03.2011

 

Ich muss sagen bei den Nonnen hatte ich es nicht schlecht.Es war sogar meine schönste Zeit in meinem 5 Jährigen Leben.Schlimm wurde es erst als die neue Heimleiterin [Tanti] kam.Es war eigentlich kein Leben mehr,mann wollte es einfach nur überstehen.Heute weiss ich,die Seele hat es nicht überstanden.Je älter man wird um so belastender wird es.

Lilly
06.03.2011

 

Ja, Lilly – der Wechsel von einer «geistlichen» zu einer «weltlichen» Leitung war für viele eine gewaltige Veränderung. Sehr bald wurde eine Triage gemacht, zu alte (und zu junge) Kinder passten nicht mehr ins Heim (mit wenigen Ausnahmen / Altlasten !z.B. Poldi) Der grosse Garten, welchen wir als Selbstversorger für Früchte und Gemüse (einige Tonnen Kartoffeln mussten jedoch zugekauft werden) betrieben, wurde (zur Freude einiger weniger) aufgehoben. Daraus wurde später eine mehr als Fussballfeld grosse Rasenfläche, organisierte Reigen und andere «schöne» Gymnastikübungen fanden darauf statt. Wer sich wie ein Tanzaffe dressieren liess, stets lächelte und Freude ausstrahlte, passte ideal in Tantis Bild, wer nicht «spurte» lernte relativ schnell die jeweils Zuständigen der städtischen Fürsorgebehörde kennen. (ein gar «netter» war Hr. Röllin seine manchmal angewendeten Methoden hätten jedem Sturmführer zu Ruhm gereicht) Gerne erzählte sie aus der Zeit, in der sie als Privaterzieherin «betuchter und adliger» Kinder) tätig war. Die zahlreichen Besuche (wer auch immer diese Leute waren) wurden auf die friedliche Atmosphäre und die lieben Kinder aufmerksam gemacht, an den Wänden hingen Friede, Freude, (Eierkuchen) eitel Sonnenschein verheissende Bastelarbeiten. Lief zufällig ein Kind diesen Besuchen über den Weg, erklärte Tanti ausschweifend und Tränendrüsendrückend die ach so traurige Geschichte und die schweren Umstände dieses Kindes, sie dankte Gott, dass «es ihm jetzt besser geht». Dass diese (manchmal wirklich schönen) Dekorationen von den Erzieherinnen gefertigt waren, wurde stillschweigend übergangen.
Complacency is not an enduring condition (Selbstzufriedenheit ist kein dauerhafter Zustand)
Während der «Nonnenzeit» hatten wir allgemein weniger Kinder mit psychischen Problemen, weniger Depressionen.(ich weiss von keinem Kind, dass es wegen der Führung im Heim Suizidgedanken hatte. Dazu darf ich sagen, dass ich zu jedem mehr oder weniger Kontakt pflegte. Nach «der Wende» kam es vor, dass die Eine oder der Andere unschöne Gedanken äusserte. «ich gehe ins Wasser» liess aufhorchen, der nahe Seminarweiher versprach Lösung des Problems. Unter der Leitung von Sr. Alvarez / Sr. Maria-Konkordia war es immerhin möglich, sich «irgendwohin» zurückzuziehen. Vertrauliche Gespräche zu zweit oder in kleiner Gruppe halfen vieles was uns beschäftigte, zu bereinigen oder zu klären. Man konnte sich «zum Lernen» im Klavierzimmer ganz gut unterhalten, so lange eine Hand auf den Tasten klimperte, liess sich gut zu zweit diskutieren, – niemand störte. Einige (verwegene) trafen sich jeweils «auf dem Boden», einer Bühne unter dem Dach vom Schopf, welche nur mit Hilfe oder entsprechenden Kletterkünsten zu erreichen war. Die knarrende Treppe im Schopf gab uns die «notwendige Sicherheit» bei unserem Tun. Hier hörten wir auch «verbotene» Musik, hatten unsere Geheimnisse, unsere Verstecke. Auch im grossen Estrich des Hauses hatten wir unsere «Treffpunkte».
All dies gab es bei Tanti nicht mehr, – über persönliche Empfindungen, Fragen, Gefühle, etc. konnte nicht mehr gesprochen und diskutiert werden, – sie waren inexistent.(Poldi war schon lange in ein Einzelzimmer im obersten Stockwerk umquartiert worden. Auf dieser Etage befanden sich keine Zimmer der Zöglinge, sondern nur diejenigen der «Fräulein». Die Erzieherinnen / Praktikantinnen, welche teilweise kaum 4 Jahre älter als ich waren, teilten also die gleiche Etage. Wir hatten für uns eine Dusche, für die «Fräulein» gabs einen Aufenthalts- / Bastelraum. Tanti sah es nicht gerne, wenn sich Poldi «nach Feierabend» mit den Erzieherinnen unterhielt, sie war sehr froh, als er auf einem Bauernbetrieb zeitweise seine Freizeit verbrachte und nicht mehr jede Nacht im Heim schlief. Dafür erreichte Tanti für Einige schulische oder berufliche Möglichkeiten, welche die Nonnen nie organisiert hätten. Für A. Hürlimann war jedes «gelungene» Kind ein Vorzeigeobjekt (selbst wenn häufig aus einer Mücke gleich ein Elephant gemacht, eine bestandene Prüfung gleich zu einem akademischen Grad hochstilisiert wurde), über die anderen sprach man einfach nicht. Dies zeigte sich z. B. an den späteren «Ehemaligentreffen», die genehmen wurden geladen, die anderen ignoriert.
poldi
06.03.2011

 

Poldi,du sprichst mir aus der Seele.Ich kann mich noch gut erinnern welche Kinder Tantis Herz erobern konnten.Welche zur Spionage eingesetzt wurden,und welche es schwer hatten.Du magst dich vieleicht noch erinnern,Remo gehörte auch zu letztern,mich eingeschlossen.Ich mag mich auch noch an den Estrich erinnern,dass war auch mein Versteck.Vieleicht wegen den Katzen die bei den Schwestern noch auf dem Boden wohnen durften.Es hat mir über mein Heimweh weg geholfen.Bei Tanti musste alles weg was uns Kinder dieses Leben im Heim ein bischen lebenswerter gemacht hätte.Du musst dir vorstellen,es waren doch alles Kinder die es schon im Elternhaus nicht einfach hatten.Sie haben uns kapput gemacht.Vieleicht nicht alle aber viele.Was mich bis Heute noch schwer beschäftigt ist,dass ich nie wusste wem ich vertrauen konnte.Irgendwie habe ich schon früh gemerkt, dass ich auf mich allein gestellt war.Heute weiss ich wer dieser Jemand gewesen wäre weil ich meine Akten angefordert hatte.Nur ich glaube auch das es von allen Seiten,sprich heimleitung,Fürsorgeamt Kirche und was und wer auch immer,darauf hingearbeitet wurde,uns mundtot zu machen.Wir hatten ja ehrlich gesagt auch keine Stimme.Geglaubt hat uns ja eh niemand.

Lilly
06.03.2011

 

Es folgen diverse Lebensgeschichten von ehemaligen Heimkindern. Die Kommentare stammen von einem ehemaligen Facebook-Beitrag, welcher leider nicht mehr zugänglich ist.

Gespräche, Informationen und Kontakte der letzten Zeit veranlassen mich, eine Türe aufzustossen.
Ich öffne die Türe einer «Seelenkammer», (sie war zwar nie verschlossen sondern nur zugezogen) ich werde das Eine und das Andere hervor nehmen, vom Staub befreien damit man die Facetten detaillierter betrachten und kleine (aber manchmal wichtige) Dinge besser wahrnehmen kann. Den Inhalt dieser «Seelenkamme» musste ich zu meinem eigenen und zum Schutz anderer lange Zeit unter sorgfältiger Kontrolle halten. Rachegelüste und Mordgedanken (im wahrsten Sinn des Wortes, – z.B. gegen den Lehrer Hans Forrer – er hatte [den «Waisehüslern» allgemein, also auch] mir zu viel angetan, mich zu tief gedrückt, mir zu viel zerstört, – ich hätte ihn bei einer Begegnung mindestens «windelweich», zum Krüppel oder eben tot geschlagen – auch er möge in der Hölle schmoren) und mehr beschäftigten mich während Jahren, dies musste zuerst be- und verarbeitet werden. Ich bin zufrieden, die Verarbeitung ist mir einigermassen gelungen, ich kann zurückblicken, aber ich lebe heute.

Für das, was ich sage oder schreibe, bin ich verantwortlich,
– für das wie es verstanden wird,- jedoch nicht !

Es ist «passiert», ändern lässt es sich nicht mehr.
Ich habe die Falschkeit, das «Frömmeln», die Hinterfotzigkeit, das Pharisäertum und den Sadismus von «lieben Leuten, denen man Respekt zollen soll(te)  (viele geistliche wie auch weltliche Amtsträger, Respektspersonen, Vorgesetzte, etc. – z. T. je Ranghöher desto perverser !) kennengelernt. Heute kann ich darüber berichten, schreiben und sprechen (*), alte Erinnerungen Revue passieren lassen. In loser Folge werde ich Begriffe / Stichworte kommentieren, zu erwartende Definitionen sind im Text entsprechend markiert Das vorangestellte Datum gibt über die Aktualität aufschluss. (Anregungen sind willkommen, sendet Eure Fragen und Wünsche.
Mail: poldi.r@bluewin.ch).
(*)Der Persönlichkeitsschutz ist mir wichtig. Namen von betroffenen werden (auf Wunsch) weggelassen, ansonsten auf reale oder pseudonym – Vornamen reduziert.
Die Namen unserer Peiniger, Schänder, Verführer oder was auch immer gebe ich gerne und komplett wieder. Das, was uns angetan wurde, wiegt weit höher als der «Persönlichkeitsschutz» dieser Kreaturen. Sollten deren Angehörige (die Schänder wissen ja selbst, was sie getan haben) erst aus diesen Schilderungen die Wahrheit erfahren, eventuell betroffen sein, – sorry – Euer (indirektes, – nicht Ihr habt die Schandtaten begangen) Problem!

07.03.11 Papierkeller :
Der «Papierkeller» war ursprünglich eine Gefängnis-Zelle. Als das Haus seinerzeit als Armen- und Bürgerheim gebaut wurde, erhielt der Kellerraum in der nordöstlichen Ecke nord- und ostseitig orientiert hoch oben an der Wand je ein kleines vergittertes Fensterchen der Zutritt erfolgte durch eine Zellentüre mit Durchreicheklappe. Das Schloss war nur von aussen, das Schlüsselloch nur über einen raffinierten Mechanismus zugänglich (das «Geheimnis» wurde nur an ausgewählte «Freunde» weitergezeigt).
In diesem Keller wurde Altpapier (Zeitungen und Illustrierte), welches zu einem grossen Teil von «Entrümpelungen» und Sammeltouren stammte, gestapelt. Aus einem Teil des Zeitungspapiers schnitten wir in Gruppenarbeit (begleitet von Erzählungen oder Musik) jeweils stundenlang Toilettenpapier (war in jener Zeit nichts aussergewöhnliches, echtes Toilettenpapier war ein Luxusartikel). Dieses wurde in den 5 WC (obwohl das Haus 6 WC hatte, dasjenige im Parterre west war für die Nonnen reserviert) aufgelegt. Das restliche Papier wurde jeweils in kleineren oder grösseren Mengen dem Altstoffhändler Hüttenmoser hinter der Stadtpfarrkirche / Kolumbanskirche gebracht. Dabei wurde vorgängig der Kilopreis genau erfragt. (Dies geschah nicht etwa telefonisch. Allgemein lief vieles weniger hektisch, weniger kurzlebig ab). Wenn [nach einem Kirchgang zum Anbetungs-, Beicht-, Maiandacht-, Rorate-, Schülermesse-, oder was auch immer Besuch in der Pfarrkirche] einem Kind etwas Zeit blieb, informierte es sich über den Altpapierpreis. War er nicht hoch, der Keller jedoch voll, nahmen einige Kinder am Samstagnachmittag zur Beichte je zwei gefüllte Taschen Altpapier mit. Der Erlös dieser 30 – 40 kg Papier betrug zwischen ca. 80 und 160 Rappen (das 1-, wie auch das 2- Rappenstück waren gängige Münzen, der Altstofferlös, wie auch viele Lebensmittelpreise wurden im Rappen gerechnet), selbiger wurde problemlos und korrekt im Heim abgeliefert. Etwas anderes kam gar nicht in Frage (ich hatte jeweils Mühe, irgendwelche «Vergehen» für die anschliessende Beichte zu finden. «ich habe mich selbst [oder Andere] unsittlich berührt / unsittliche Gedanken gehabt» für das sechste Gebot vermochte den Seelsorger sehr stark zu interessieren, «ich habe gestohlen» für das siebte Gebot setzte noch eins drauf.)

War der Altpapierpreis besonders gut, wurde ein grosses Fuder auf dem Leiterwagen (ein grosser Brückenwagen mit Deichsel) von einem Tross Kinder zum «Lumpensammler» gebracht, schon damals galt: «jeder Rappen zählt.» Dieser Keller diente jedoch (allerdings weniger häufig als Früher) auch als Zelle für «böse Kinder, für schlimme Vergehen». Ausser Altpapier befand sich nichts in diesem Verlies, das Tageslicht drang spärlich durch einzelne Ritzen der Kellerladen, der Lichtschalter war ja ausserhalb des Raumes. Halt, – da war noch etwas! Wer Angst hatte, «vergessen» zu werden oder wem die Haftzeit «zu lange» vorkam konnte (sofern im Wissen von diesem «Trick») auf sich aufmerksam machen (manchmal mit Konsequenzen !). In diesem Raum befand sich in einer Ecke der Wasseranschluss des ganzen Hauses, also Haupthahn und Wasserzähler. Haupthahn zu, – abwarten, – (bei «technischen Problemen» wurde häufig nach Poldi gerufen, wenn ebendieser im Papierkeller war ..?) Dies kam aber wie gesagt seit ca. 1960 etwas seltener vor.

09.03.11 Refugium:
Das Refugium war ein gegen Norden orientierter Raum im östlichen Teil des Erdgeschosses. Dieser Raum war für uns alle Tabu, wir wurden dermassen erzogen, dass es jedes Kind wusste: wenn du überhaupt von einer Nonne in diesem Raum etwas willst, hast du anzuklopfen. Wenn die Türe geöffnet wird oder offen ist (mehr als die Breite für einen Durchgang der Nonne wurde sie nie geöffnet), hast du deinen Blick zu senken, – neugierige Blicke zogen Strafen nach sich. Dieser Raum diente den Nonnen (und nur diesen) als Aufenthalts, – Besprechungs, – Rückzugs, – oder was auch immer Raum. Selbst die hin und wieder zu Besuch weilenden Geistlichen (Messen besprechen, etc. – wir hatten eine eigene Hauskapelle) durften diesen Raum (nach unseren Informationen) nicht betreten. Hier pflegten die Nonnen häufig auch das Mittagessen einzunehmen (der Raum hatte eine direkte Verbindungstüre zur Küche), weil deren Essen vor unserem stattfand, haben wir öfters festgestellt, dass unser Mal nicht identisch mit dem war, was unsere Nasen uns vermittelt, was wir gerochen haben. Diejenigen Kinder, welcher unserer Köchin «Liese» (Frl. Elisabeth) zur Hand gingen, konnten auch sehen, was im Refugium auf den Tisch kam (psst., so tun als ob man nichts gesehen hat, vor allem aber niemandem etwas sagen ! Für’s «dichthalten» gab es manchmal eine Scheibe Charcuterie, ein Möcklein Fleisch [von eben diesem !!] oder etwas Dessert.)

11.03.11 Elmer Citro, Sauser:
Einer der zahlreichen Kellerräume war (im Gegensatz zu den anderen) normalerweise abgeschlossen, der grosse Schlüssel wurde in der Küche verwahrt. Aus diversen Gründen (für Frl. Elisabeth etwas holen oder versorgen, alljährliche Reinigung, etc.) wussten wir jedoch, was sich in etwa in diesem Raum befand. Irgendwann existierte eine Art Schlüsselnachbau / Dietrich (vermutlich weiss Poldi etwas mehr darüber) , schliesslich waren einige Dinge in diesem Keller zu verlockend. Die verschiedenen selbstgemachten (Brombeer, – Erdbeer, – Himbeer, – Johannisbeer, – Stachelbeer, – Quitten, – usw.) Konfitüren, sowie die verschiedenen Obstkompotte waren nicht das Ziel der Begierde, diese kamen schliesslich des öfteren auf unsere Tische. Unter der Woche waren Johannisbeer,- oder Zwetschgenkonfitüre, manchmal auch Quittengelee die Favoriten (davon gab es am meisten), am Wochenende wurden wir mit den raren Brombeer,- Erdbeer,- Himbeer- oder Stachelbeerkonfituren «verwöhnt». Praktisch alle Kinder kamen aus der Unterschicht, aus armen oder ärmlichen Verhältnissen (Alleinerziehend, Alkoholproblemfamilie, Getrenntlebend, Verwitwet, etc.) viele Sachen waren rar oder unerschwinglich. Limonade / Mineralwasser gehörte auch dazu. In besagtem Keller lagerten Harrasse mit eben diesen Getränken (v.a. Elmer Citro, Bergamotte, etc.). Manchmal durften wir für «Liese» davon zur Küche raufbringen, auf unseren Tischen war jedoch nie etwas derartiges, (es war für’s Refugium). Ich will nicht klagen, der un – oder nur leicht gesüsste Lindenblütentee vermochte unseren Durst zu löschen. Auch dieser stammte «aus eigener Ernte», wir hatten zwei grosse Lindenbäume als «Materialspender». Wenn die Blüten reif waren, wurde aus den Bäumen ziemlich das gesamte, Früchtetragende Astwerk herausgesägt. Während eine Nonne (manchmal schaurig schöne) Geschichten erzählte, zupften wir in Gemeinschaftsarbeit Abend lang Lindenblüten. In grossen Leinensäcken wurden diese anschliessend im Estrich getrocknet.

Wenn man nicht widerstehen kann und gemeinsam «mit guten Freunden» ein paar Schlucke aus einer dieser (verbotenen) Flaschen nimmt, muss diese nachher nur wieder mit Wasser (aus der benachbarten Waschküche) aufgefüllt werden (Damals gab es noch keine Sicherheitsverschlüsse). Ich habe nie gehört, dass unser Tun bemerkt wurde, mit der nächsten Beichte (ich habe gestohlen) und der auferlegten Busse war mein Gewissen (bis zum nächsten Mal) wieder rein (der Genuss war diese Sünde wert).
Auf der Südseite des Schopfes gediehen auf und um die Pergola viele «Katzentrauben», was nicht durch unser Naschen (und durch die Vögel) wegging, wurde zu Traubenmost gestampft. In einer grossen Holzstande wurde auch dieser im besagten Keller aufbewahrt. Irgendwann fand ein Gärprozess statt, der Sauser kam ins Stadium. Glücklicherweise waren in dieser Zeit immer Schulferien / 1. August. Diejenigen, welche nicht auswärts weilten, kamen (durch die Nonnen verteilt) in den Genuss dieses prickelnden Getränkes. Das hatten wir uns durch harte Arbeit verdient, wurden doch in den Sommerferien sämtliche Betten demontiert, alle Matratzen im Freien geklopft und gesonnt, alle Böden intensiv gepflegt und versiegelt. Natürlich gab es auch viel mehr Freizeit und Spiele. Ich erinnere mich gerne an die frühen Morgenessen mit einer deftigen Rösti, die anschliessenden «Schnitzeljagden» oder Räuber und Poli – Spiele, welche uns zum Teil bis auf den Grat des Rorschacherberges / Fünfländerblickes führten. So verlief der eine oder andere Tag bis zum späten Abend, müde aber glücklich ging die Eine und der Andere zu Bett.

Bis zur Weisskabisernte im Herbst mussten diese Standen auch wieder leer und sauber sein, schliesslich dienten sie anschliessend der Sauerkrautproduktion. Ein grosser Teil der (Weiss-) Kohlköpfe wurde in feine Streifen geschnitten und in den Bottichen unter stetiger Zugabe von Kochsalz eingestampft. Natürlich habe ich meine Füsse vorgängig mehr als ein Mal mit der grossen SAVON DE MARSEILLE (Kernseife) gewaschen, von Frühling bis Herbst war «Barfuss» (nicht nur für «Heimkinder») eine gängige Schuhmarke. Mein «Einstampfen» war mitverantwortlich, dass wir während der Winterzeit ein gutes Sauerkraut (manchmal begleitet von etwas Speck, oder sonstigem Schweinefleisch, Wädli, seltener Blut- oder Leberwürsten) geniessen konnten («ist gesund und hat viel gutes Vitamin»), meine während Tagen geröteten wunden Füsse interessierten niemanden. Die Lebertranportionen, welche ebenfalls während der Winterzeit verabreicht wurden, hatten auch «viele gute Vitamine». Irgendwie wussten die Nonnen, was gut und gesund ist, allein die Vermittlung war nicht einfach (heute nennen wir die Vitamine beim Namen, ergänzen gegebenenfalls unsere Nahrung mit überteuertem Convenience-Schrott).

12.03.11 Die Contenance verlieren / Ausrasten:
Gewalt unter den Kindern kam praktisch nicht vor. Während der Nonnenära waren auch denunzieren, rätschen, tratschen und petzen verpönt, bei «Tanti» waren «Schleimer und Zuträger» eher die beliebten. Ich weiss nur von zwei Fällen, an denen ein Kind wirklich «ausgerastet» ist, einen «Tobsuchtsanfall» hatte. Es dürfte im Frühsommer / Sommer 63 gewesen sein. Wir waren an jenem Mittag alle im Speisesaal, ich sollte eigentlich gleich mit dem Vorlesen der Geschichte zum Heiligen des heutigen Tages beginnen.
(Während sehr langer Zeit war ich von starkem Stottern [Balbuties] geplagt. Kein Satz wollte meinen Mund auf Anhieb fehlerfrei verlassen. In der Schule wurde ich deswegen gehänselt, dann mit einigen Klassenkameraden, welche auch irgendwelche Sprachstörungen [vorwiegend Lispeln] hatten, in ein Sprachtraining [vor Spiegel, etc.] geschickt. Die Nonnen erachteten es als sehr gut, wenn ich jeden Mittag vor dem Essen die Legende des Tagesheiligen vorlesen würde. In einem dicken Buch war für jeden einzelnen Tag die Geschichte der / des Tagespatrons, Heiligen (Märtyrers, Bischofs, Soldaten, Adligen oder normal sterblichen) auf einer Seite [ca. A4 – Format] verzeichnet. Während ich also diese Seite (fliessend und ohne zu Stottern !) (darauf war ich selbst stolz) vorlas, wurde die Suppe gebracht, die Teller gefüllt und aufgetragen. Das Ende der Lesung und das Befüllen der Teller war normalerweise ziemlich zeitgleich. Das Dankgebet war gesprochen, wir waren schon am essen als jeweils kurz vor 12:30 das Radio «Beromünster» zum hören der Nachrichten eingeschaltet wurde). Dieser Mittag verlief komplett anders. Rico, der älteste der Knaben wurde gemassregelt (ich mag mich nicht mehr an den Grund erinnern) und rastete total aus. Er nahm vom Stapel Teller um Teller und schmiss diese gegen Schwester Alvarez (die Oberin). Als sein «Anfall» vorüber und das ganze Geschirr in Scherben war, standen alle noch immer – wie gelähmt – hinter ihren Stühlen. Das eine oder andere Kind kannte solche «Geschirrflugszenen» aus früheren Zeiten von zu Hause, von den Eltern. Mit je einer Scheibe Brot und einem Apfel begaben wir uns bald darauf wieder auf den Schulweg (das gemeinsame Abräumen und Geschirrwaschen entfiel an diesem Mittag – aus naheliegenden Gründen).

Der zweite Vorfall war ein oder zwei Jahre später. Rico, Paul, Walter, Viktor und andere ältere Knaben waren nicht mehr im Heim, – auch bei den Mädchen hatte sich die Altersstruktur leicht verschoben Mirella und Ruth lösten Erika als älteste ab. Beim gemeinsamen Gemüserüsten in der Küche (der ehemalige, mehr als Tischtennis – Tisch grosse holzbefeuerte Kochherd war mit einer Platte abgedeckt und diente als grosser Allerleitisch) wurde Bruno von irgend einem Dämonen geritten. (sicher, wir waren nicht immer fair mit ihm, seine Art kam bei den übrigen Kindern nicht immer gut an, die Fehlstellung seiner Zähne trug ihm den Übernamen «Geisterzahn» zu). Plötzlich begann er, mit dem Tranchiermesser, welches er eigentlich zum stückeln des Gemüses brauchte (Julienne), wild um sich zu fuchteln und Drohungen gegen jedes anwesende Kind auszustossen. Das ganze war von wildem, vor allem aber wirrem Gebrüll begleitet. Noch bevor jemand zu Schaden kam, hatte das Messer den Besitzer gewechselt, Bruno lag – einen fremden Fuss auf dem Brustkorb – am Boden.(sorry Bruno, ich wollte Dir nicht weh tun, konnte aber nur so handeln) Das Ganze hat sich schlussendlich ohne weitere Folgen gelöst. Wir alle haben uns anschliessend wieder ertragen, einige Tage später praktisch wie zuvor. Nachruf: Bruno ist vor langer Zeit verstorben. Er hatte es nicht nur leicht, versuchte er doch schon als Kind im Heim einen rechten Teil der Verantwortung für seine drei Geschwister (Brigittli war seine Schwester) zu übernehmen (war Teilweise in seinem «wilden Gebrüll» enthalten, heute würde ich dies besser verstehen, darauf eher anders reagieren). In dieser Situation, den familiären Belastungen und der altersentsprechenden Naivität ist solches Tun zum scheitern verurteilt. Diese Lasten und der Alkohol haben Deiner Gesundheit (zu stark) zugesetzt.R.I.P.

13.03.11 Entrümpelung / Leiterwagen:
Diese zwei Begriffe gehören zusammen, ohne Leiterwagen keine Entrümpelung. Zwar existierte schon in damaliger Zeit in Rorschach eine Kehrichtabfuhr. Die Firma Fehr leerte jeden bereitstehenden blechernen Kehrichtkübel in den – mit Seitenschiebern, welche beim Ansetzen des Kübels nach oben glitten, ausgerüsteten Wagen (PAT. OCHSNER). Was wirklich defekt, absolut nicht mehr brauchbar, nicht mehr zu verwerten war, wurde weggeworfen. Lebensmittel wegzuwerfen galt als Sünde, Rüstabfälle wurden [wenn möglich] im eigenen oder im Schrebergarten kompostiert. Da könnten wir uns heute vielleicht ein wenig zurückbesinnen! So sammelten sich Dinge an, welche auch irgendwie weg gehörten, von denen man sich aber nicht über den Kehrichtkübel trennen konnte. Eine Meldung an’s «Waisenhaus» (Tel. 4 26 86) mit genauer Adressangabe genügte, am abgesprochenen Termin (nur Mittwoch- oder Samstagnachmittage waren möglich) stand eine Kinderschar bereit um den Estrich oder Keller zu entrümpeln, oder das, was zu entsorgen war, mitzunehmen.. Alles wurde auf den grossen Leiterwagen geladen, wir bedankten uns artig (manchmal für nichts, manchmal für das Glas Sirup, Limonade oder die Verpflegung) und zogen mit dem Fuder von dannen. (die Leute hatten sehr häufig das Gefühle, «den armen Waisehüslern» etwas gutes getan zu haben. Dies war jedoch auch bei einigen «Lieferanten» so. Am Samstagnachmittag durften wir jeweils bei der einen oder der anderen (von zwei in Frage kommenden) Metzgereien das Fleisch für den Sonntag (und eventuell noch einen Wochentag) holen. Dazu mehr im Kapitel Ernährung.

Das Heim befand sich oberhalb von Rorschach, direkt unter dem Friedhof, an der Grenze zur Nachbargemeinde Rorschacherberg. Wo auch immer wir waren, der Weg zurück führte (steil) aufwärts. Nach der Rückkehr von unserer «Entsorgungstour» fand eine Triage statt, Kleider konnte man, sofern kaputt sicher noch flicken, aus Stoffen liessen sich Putzlappen schneiden, alles wollene das nicht mehr getragen werden konnte, wurde aufgelöst. Stundenlang haben wir Stricksachen aufgelöst, Wickel gemacht und diese nach dem Waschen zu Wollknäueln gewickelt. Daraus wurden später «Blätze» für Wolldecken oder Socken gestrickt. Knaben (!!) und Mädchen lernten spätestens im Kindergartenalter [oder nach dem Eintritt] stricken, die Wolldecken waren (wie so vieles Andere) «für die armen Negerlein», für die Mission bestimmt, (wurden über das Mutterhaus der Nonnen in Ingenbohl verteilt). Mir (und vielen Anderen) haben diese Strick- Näh- oder sonstigen Arbeiten nicht geschadet, – im Gegenteil. Während diesen gemeinschaftlichen Tätigkeiten wurden häufig Geschichten und Sagen erzählt. Im späteren Leben (Militär, Legion, Auslandaufenthalt, etc.) konnte man das erlernte immer wieder einsetzen. Bei der Triage fiel jedoch auch diverses anderweitiges Material an. Papier, Metalle, etc. waren eindeutig Wertstoffe. Diese brachten wir bei genügender Menge zu «unserem Lumpensammler». (manchmal fanden sich in den Papierstapeln Druckschriften ,gewisse Heftli für Erwachsene, die entweder sofort zur Verbrennung konfisziert oder bei denen uns «am Exempel» schnell erklärt wurde, was «Schund» ist).

Zuweilen verbargen sich auf diesem Fuder auch wahre Trouvaillen, z.B. Schallplatten. Diese mussten zwar in separate Harassen sortiert werden. Die Nonnen wählten dann (nach ihren Kriterien) die «guten» aus, diese wurden zur Schallplattensammlung gelegt, Der Rest, der sogenannte Schund, durfte von den Kindern (einige hatten eine riesige Freude) an eine Wand des Schopfes geschleudert werden, so dass sie in viele Stücke zersprangen. Dieselbe Wand diente auch der «Geburtenkontrolle». Manchmal denke ich mit Wehmut an die damals zerstörten Werte zurück, diese 78-er Schelllackplatten wären heute ein Vermögen. Es ist kein Geheimnis, alle die mich kennen, alle die dabei waren, alle die mitgeholfen haben, – die eine oder andere Platte wurde gerettet (Danke all den Mädchen, welche «gestopft» haben). Auf dem Boden im Schopf gab’s einen Plattenspieler (Poldi hatte den irgendwann im Radio / TV Geschäft Eisenring als defektes Gerät erhalten und – wie viele ander Geräte auch – repariert), darauf konnten wir die «verbotenen Lieder» hören. Der Mann im Mond / Da sprach der alte (Gus Backus ca.60), Allez venez Mylord [obwohl wir französisch nicht verstanden] (Edith Piaf), Liebeskummer lohnt [«Doppelzimmer lohnt sich nicht»] (Siw Malmquist ca.63) Rote Lippen soll man .. usw., usf. waren die Lieder, welche wir (weil verboten, erst recht) nach sangen. Nach allen Triagen blieben noch die wirklichen Abfälle. Diese brachten wir dort hin, wo alle Abfälle hinkamen. Oberhalb vom Restaurant Jägerstübli an der Heidenerstrasse (knapp 3 Kilometer, 15 % Steigung) befand sich eine Kehrichtdeponie. Um den Leiterwagen dorthin zu bringen, war eine stattliche Anzahl Kinder notwendig. Keine Frage, es wollten immer mehr mitkommen, als tatsächlich gebraucht wurden. Gemeinsam wurde das Fuder (unter starkem körperlichem Einsatz) dort hinauf gezogen / gestossen und entladen. Manchmal machten wir uns einen Spass daraus, mit einzelnen Gegenständen auf die Ratten, welche es zuhauf in dieser Deponie gab, zu zielen. Nachdem der Wagen leer war, kam der interessante Teil (heute würde ich, -sofern ich welche hätte, – nicht einmal meinen Kindern solches Tun erlauben). Die 6 bis 12 (manchmal auch mehr) Kinder setzten sich alle auf die Brücke des Wagens, vorne in der Mitte sass der «Lenker», er hatte die Deichsel zwischen seinen Beinen. Das Kind zu seiner Linken fungierte als «Bremser» (Kurbelbremse) und los ging’s. Wir fuhren erst langsam, dann immer schneller die Heidenerstrasse hinunter. Alle vertrauten auf «die vorne» (den Lenker und den Bremser), waren sich keiner Gefahr bewusst sondern genossen den Geschwindigkeitsrausch. Beim Restaurant Steig begann der Bremser mit seiner Arbeit, die Kurve beim Restaurant Lerche durfte nicht zu schnell genommen werden und bald schon nahte die Sonnenhof – Kreuzung. Gott (oder wem auch immer) sei Dank, es ist nie etwas passiert, keine Blessur, keine Wunde, (Vielleicht gibt’s mal eine Geschichte über andere Vorkommnisse an der «Steig»).

14.03.11 Spielplatz / Freizeitplatz:
Zwischen dem Heim und dem Schopf findet sich ein grosser, leicht abfallender Platz. Bis zum Einbau (und noch einige Zeit länger) eines grossen Heizöltanks (der Steinkohlebunker im Heizraum blieb trotz der Umstellung – so lange ich mich erinnern kann – erhalten) war dieser Platz Kiesbedeckt. Später wurde er asphaltiert. In den «Kieszeiten» war jeden Samstagnachmittag rechen angesagt. Wie im Schwabenland wurde auch im Heim am Samstagnachmittag alles auf «Blitz-Blank» gebracht. Der Platz auf der Südseite des Heimes, zwischen dem zweiflügeligen Eingangstor mit separater Personentüre und dem Spielplatz, dort wo sich zwei grosse Lindenbäume finden, wurde also mit dem Laubbesen / dem «schön gemacht». Auf dem Spielplatz verschwanden damit natürlich jeweils unsere Verkehrsgärten, unsere Strassen und sonstigen Objekte. Im Kies liess sich wunderbar eine Verkehrssituation schaffen. Auf «unseren Strassen» lernten wir Dreirad, Trottinett, Velo oder gar Holländer fahren. Es brauchte auch Polizisten (dazu wurden diejenigen bestimmt, welche im Moment auf ein Fahrzeug verzichten mussten, – Fairness pur 😉 ).

Nach dem asphaltieren war ein wenig Phantasie gefragt, – in allen Schulklassen waren Wandtafeln mit Kreiden im täglichen Einsatz. Ab einer gewissen Grösse wurden die Kreiden nicht mehr gerne benutzt, sie blieben in der Kreidenbox liegen. Einige von uns Kindern haben sich in ihren Klassen an den «Chridestümpli» bedient, die Mädchen mit ihren Latzschürzen mit den zwei Taschen hatten es da leichter, bei uns Knaben gab’s in den Hosentaschen manchmal Kreidestaub, ausser man durfte die höchst unbeliebten Knickerbocker tragen. In solchen Hosen wurden wir häufig gehänselt, immer seltener trug jemand in der Klasse solche Dinger. Mit diesen Kreidestücklein konnten wir auf dem Asphalt wieder unser «Wege» zeichnen. Dieser Platz diente aber auch für diverse andere Spiele, hatte eine ideale Grösse für Völkerball / Brennball / Volleyball. Schnell war eine Wäscheleine als Abgrenzung gezogen, das Spiel konnte losgehen. Manchmal kam es vor, dass eine (oder mehrere) der Nonnen mitspielten, sie waren zwar durch die Tracht etwas handycapiert, uns störte dies wenig. Am nördlichen Platzende, dort wo das Wiesbord begann, stand eine Schaukel (Wippe). Diese war so gross und so massiv, dass wir nebst den Sitzplätzen den gesamten Balken benutzen konnten. Damit war schaukeln mit bis zu einem Dutzend (oder mehr) Kindern möglich. Vorwiegend diente dieses Spielgerät an lauen Sommerabenden als (wippende) Sitzgelegenheit, während wir gemeinsam (bevorzugt verbotene) Lieder sangen. Ich entsinne mich einer Novizin (diese junge Frau aus dem Bündnerland war noch keine Nonne, hatte ihr Gelübde also noch nicht abgelegt, sie trug auch nicht das gleiche Ordenskleid), welche uns – in voller Kenntnis der Liedtexte – erklärte, warum unsere Stücke «verboten» sind. Ich war sicher nicht der Einzige, welcher verstand, dass in diesen Schlagern das Leben, die Liebe oder was auch immer sehr oberflächlich, auf jeden Fall eher spielerisch beschrieben wird. Diese junge Frau hatte etwas faszinierendes, sie war wie wir und trotzdem über uns. Sie vermochte (mindestens mir) darzulegen, warum diese Stücke verpönt sind, gesungen haben wir sie trotzdem weiterhin. Eines Tages fand ein Kind einen noch nackten Jungvogel auf dem Vorplatz, wahrscheinlich fiel dieser aus dem Nest. Die Novizin nahm diesen in einer Schuhschachtel in ihr Zimmer und fütterte ihn. Wir durften das gedeihen des Findlings (in ihrem Zimmer !!) mitverfolgen. Nach einigen Tagen (das Vögelchen hatte einen Anflug von Federn und begann im Karton zu hüpfen) wurde der Findling wieder dorthin gebracht, wo er seinerzeit hingefallen war. In einer einfachen Art erklärte uns «dieses ältere Kind», dass die Vogelmutter sich dieses Piepmatzes annehmen würde, – es klang so selbstverständlich, wir glaubten es. Diese Novizin war für viele von uns eine Mittlerin, eine Person zwischen uns Kindern und der «Obrigkeit». Alleine der Fall, dass wir in ihr Zimmer durften, war etwas besonderes (dafür wurde sie später gemassregelt).

Normalerweise war das Schlafzimmer jeder Nonne ein persönlicher Raum, und damit Tabu. Im Zimmer der Oberin befand sich ein Telefon (Zweitstation für Notfälle. Dieser schwarze Apparat war in einem Holzschränklein an der Wand montiert und besass ein separates schwarzes Zusatzteil, mit dem man nur hören konnte. Es ist naheliegend, dass mit diesem Telefon die Gespräche auf dem Hauptapparat im Büro des Erdgeschosses mitgehört werden konnten. ), jedes dieser Zimmer war mit einem Lavabo mit fliessend Wasser (warm- und kalt) ausgestattet. Als «Betriebsmechaniker («Hauswart vom Dienst») war an einem Samstagnachmittag meine Hilfe gefragt. Das Lavabo im Zimmer einer Nonne war verstopft, das Wasser floss nicht mehr ab. Ein erster Augenschein genügte, um festzustellen, dass der Siphon durch Haare ziemlich verstopft war (auch Nonnen haben unter ihrem Schleier manchmal sehr schöne Haare). Ich wollte mir die notwendigen Werkzeuge (Wasserpumpenzange, Kübel, etc.) besorgen und das Problem beheben. Einige Male aufgehalten verzögerte sich meine Rückkehr von wenigen Minuten auf eine längere Zeitdauer. Ohne erneut anzuklopfen trat ich (mit einiger Verspätung) in dieses Zimmer um weiterzuarbeiten. Ich weiss nicht, wer gewaltiger erschrak, – ich als Eintretender mit Werkzeugen in beiden Händen oder der sich mittlerweile (in einer nicht üblichen Aufmachung) im Zimmer der Nonne befindende Geistliche. Sofort zog ich mich zurück, – mir war klar, – ich war im Fehler, ich hätte erneut anklopfen müssen. Das verstopfte Lavabo habe ich anschliessend repariert, das gesehene hat mich jedoch nachhaltig geprägt. Obwohl ursprünglich streng katholisch erzogen, bin ich heute dissoziiert (ausgetreten). Ich lebe und glaube noch immer nach christlichen Grundsätzen, kann mich jedoch schon ziemlich lange nicht mehr mit allem identifizieren.(dies wäre eine andere Geschichte, ich werde mich eventuell mal speziell über das Verhalten von «dem Bodenpersonal» der über uns stehenden Kraft / Macht beschäftigen)

15.03.11 Besuch von Geistlichen:
Wie vorgängig erwähnt, hatten wir im 1.Stock des Hauses auf der Nordseite eine «Abteilungsübergreifende» Kapelle. Die eine Hälfte fand sich auf der westlichen (Mädchen,-) die andere auf der östlichen (Buben,-) Abteilung. Auf jeder Abteilung war eine Eingangstüre. Unter dem Kirchenjahr wurde diese Kapelle selten benutzt, an Weihnachten holten wir jeweils die grosse, Detailtreue und wirklich schöne Krippe vom Estrich und stellten diese auf. Der ganze Aufbau nahm den Raum in voller Breite ein, die ganze Geburt im Stall wurde dargestellt, es fehlte nichts [size=90]Ich half gerne beim Aufbau, beim Ausstaffieren und den Dekorationen und ich glaube, alle die mitmachen durften, empfanden dies ebenso. Also, – wir hatten eine Hauskapelle. Ob dies der Grund für die öfteren Besuche von Geistlichen war, haben wir uns damals kaum gefragt. Wenn Patres in ihren braunen Kutten mit weissem Strick um den Leib zu Besuch waren, versprach dies meist interessante Schilderungen aus fernen Ländern, manchmal wirkliche Räuberpistolen. (als ca. 11-12 jähriger war ich derart fasziniert, ich sah ich meine Zukunft «arbeitender Pater» in fernen Ländern, stellt mir vor, mit einem gottgefälligen Leben «armen Leuten zu helfen, für Bedürftige gutes zu tun».)

Manchmal kamen auch die Kaplane / Dekane (seltener der Herr Pfarrer mit seinem Citroen DS zu Besuch. Ich sehe noch heute ein Bild vor mir: der wohlbeleibte Herr Pfarrer steigt aus seinem oder in sein Auto, dieses korrigiert den Gewichtsunterschied [wir reden hier sicher von mehr als 140 kg] durch die automatische Hydraulik und senkt sich ab / hebt sich an). Durch unsere Erziehung und die vermittelten Moral- und Respektvorstellungen hatten wir vor «den Dienern Gottes» ganz besondere Furcht. Die Hand, welche sich liebevoll auf deinen Kopf legt, dich streichelt, – vielleicht ist es das was die fehlende Mutter, der fehlende Vater gemacht hätte ? Es tat gut, vermittelte Nähe, Verbundenheit und Wärme, wer lässt solche wohltuenden Berührungen nicht gerne zu?
Wenn diese Berührungen plötzlich als unangenehm empfunden werden, – ist es Sünde sich zu wehren, oder dies zu erdulden, – was soll ich jetzt tun ? Viele von uns haben derartiges (häufig aber viel mehr, (wenn tatsächlich ein genügend starker Wunsch nach Details besteht, werde ich über Missbräuche wenn verlangt ausführlicher schreiben. «Kotztüten» müssen selbst beschafft werden !!)) erlebt. In meinen Beichten erwähnte ich hin und wieder selbst gegenüber meinem «Peiniger»(sein Name war ja über dem Beichtstuhl zu lesen) die Sünde «ich habe mich selbst [oder Andere] unsittlich berührt / unsittliche Gedanken gehabt, Dinge (mit-)gemacht» Für den Moment möchte ich nur an den allseits beliebten (und sehr sehr väterlichen) Kaplan Alois Fritschi erinnern. (knapp 30 Jahre später wurde sein Tun im südlichenTeil des Kantons St. Gallen (endlich) publik [die Medien berichteten über «den Kinderschänder von Walenstatt / Uznach», er wurde rechtskräftig verurteilt]. Die Aussagen / Gefühle / Störungen / Verletzungen etc. einzelner Kinder wurden damals in Rorschach als «Lügen» dargestellt, nicht wahrgenommen, eher verdrängt, im schlimmsten Fall halfen Gebete (von uns) oder Messspenden (von irgendwem), «damit alles gut wird».
Bei diesem Punkt möchte ich das früher irgendwo erwähnte Thema Brigittli anhängen. Dieses Mädchen, dessen Geschichte unter obigem Namen (welcher – wie alle übrigen Namen – nicht real sein muss) erzählt wird, ist «nicht ohne». Eines Abends hatten die Nonnen ein grosses Problem, ein ca. 3-jähriges Mädchen, eben dieses «Brigittli» litt ich meine, es war nach einem «Besuchstag» unter extrem starken Schmerzen. Sein Enddarm war ausgestülpt und die Ursache dieses Schmerzes. Mit einem Hausmittel (Hundsschmalz) wurde «dieses Leiden» behandelt, der ausgestülpte Enddarm wurde wieder «versorgt», niemand hat nach der Ursache gefragt. Diejenigen Kinder, welche «etwas mitbekamen», wurden jeweils extra darauf hingewiesen, niemandem etwas zu erzählen, – «keine Lügen zu verbreiten».

17.03.11 der Freizeitplatz:
Die nordöstliche Ecke des Grundstückes war unser Freizeitplatz, eine grosse Wiese. In der Mitte stand eine metallene Kombination mit einer Turnstange, Kletterstange, Schaukel sowie Tau. Die Ecke wurde von einem grossen und kräftigen Holunderbaum gebildet. Einerseits profitierten wir von seinen vielen Früchten (Holunderblütenküchlein lernte ich leider erst viel viel später kennen, – damit hätte sich «Liese» sicher zum Liebling aller Kinder gemacht), andererseits diente er uns als Klettermöglichkeit (mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden). Dass man mit wenig Aufwand, einfaches «durchsteigen» des geteilten Stammes genügte, das Gelände verlassen konnte, war ziemlich jedem bekannt. Dieser Weg diente den «Buchelikindergärtlern» und den Schönbrunnschülern» manchmal als Abkürzung. Der Bauer Bischof, – später Suter, – welcher die angrenzende Wiese bewirtschaftete, reklamierte (wegen dem niedergetretenen Gras) nie.

Auf der linken Seite, entlang dem Zaun errichteten wir eine Boggiabahn. Den notwendigen Sand holten wir in einem Sandsteinbruch in der nähe des (an anderer Stelle schon erwähnten) Jägerstüblis. Mit dem Leiterwagen und vielen leeren Mostobst- / Kartoffelsäcken (die starken Hanffaserdinger, welche bei einem Loch jeweils mit demselben Material repariert wurden) zogen wir zum Steinbruch. Die Säcke mussten auf der Wagenbrücke gefüllt werden, das heben eines nur teilvollen Sackes war für uns unmöglich. Nachdem die ganze Brücke mit vollen Säcken beladen war, machten wir uns auf den Rückweg. Auf der Heidenerstrasse war jede Kraft «als Bremser» gefragt, die Metallbacken der Kurbelbremse vermochten auf den Radreifen kaum genügend zu greifen. Wir haben’s geschafft, der Leiterwagen stand neben der vorbereiteten Boggiafläche. In einer weiteren Aktion wurde der gesamte Sand verteilt und mit einer grossen, mit Wasser zu befüllenden Walze eingeebnet. Das Wasser gehörte in die Metalltrommel, damit dieses Werkzeug das notwendige Gewicht auf den Boden bringt, bei unserem Abholen und bei dem Zurückbringen war die Trommel selbstverständlich leer. Kostenlos zur Verfügung gestellt wurde dieses Teil durch die Friedhof- und Stadtgärtnerei Fitze, welche sich in nächster Nähe befand. Irgendwann wollten wir einen «Stollen» bauen, wir gruben in einer freien Zone einen Schacht. Nachdem wir beschlossen, dieser sei genügend tief, begannen wir mit dem Vortrieb. Einige Tage intensiver Regen liessen unser Werk schon bald einbrechen, wir füllten alles wieder auf.

Weil die Schaukel nur für eine (mit stehen auch für zwei, maximal drei) Person vorgesehen war, beschlossen wir eine «Megaschaukel» zu bauen. Der Vater von Ruth vermittelte uns eine alte nicht mehr benötigte LKW – Plane, welche wir mit Stricken und Seilen zu «einem grossen Sack» schnürten. Diesen befestigten wir an den Schaukelketten und hatten unseren Spass, später spannten wir die Plane vom oberen Tragbalken schräg nach unten, eine Riesenrutsche war das Resultat. Zum Schluss dienten einige Stücke (ohne Löcher, – deswegen wurde die Plane durch die Transportfirma Louis Bossart ausgemustert) als Zeltplanen. Ach ja, die Wiese musste hin und wieder gemäht werden. Dazu hatten wir im Gartenwerkzeug eine Sense, das «abgeschlagene» (gemähte) Gras wurde an die Hühner verfüttert. Ansonsten währe noch der Quittenbaum zu erwähnen. Seine vielen Früchte konnten wir erst nach einigem «geköche» in Form eines feinen Gelées, sowie als Mus (im Winter / Frühling) geniessen.

der Schopf:
22.03.11 Hühner, – der Hühnerstall
Der östliche Annex des Schopfes war der Hühnerstall, welcher eigentlich aus zwei Ställen bestand. Im einen fanden sich die Legebatterien (Legekästen), der andere diente vorwiegend der Nachzucht. Als ehemaliger «Hühnerchef» muss ich zu meiner Schande gestehen, dass ich nicht genau sagen kann, wie viele Hühner überhaupt in «meinem Stall» waren !! Alle paar Jahre wurden im Frühling wieder 10 – 15 Jungtiere zugekauft (bei einem Stückpreis von kaum 1 Fr.), die Gesamtzahl bewegte sich zwischen 20 – 30 Hühnern. Täglich wurden die Nester geleert, manchmal fanden sich auch Eier ausserhalb der Nester. Ein grosser Teil der Eier wurde konserviert, «Liese» (unsere Köchin) hat diese in Steinguttöpfe gefüllt mit «Wasserglas» eingelegt. Diese Reserve garantierte auch in «lege-armen Zeiten» einen gewissen Vorrat. [i](Irgendwoher ist aus dieser Zeit in meinen Hirnzellen die Information, dass es nicht gut wäre, zu viele Eier zu essen, dies würde zu lüsternem und triebhaftem Verhalten führen. Das Einzige, was ich bei übermässigem Eierkonsum in Erinnerung habe, hängt mit Ostern zusammen. Weil Eier eher selten auf den Tisch kamen, habe ich irgendwann an Ostern (mit gesottenen Eiern) richtig «reingehauen». In der folgenden Nacht lag mir dieses «zu viel» derart auf, dass ich mich mehrmals übergeben musste.

«Meine» Hühner hatten es ziemlich gut, jeden Morgen (bevor ich zur Schule ging) öffnete ich den Schieber, sie konnten raus. Auch im Hühnerhof wurde der Aufenthalts- und Pickplatz vorbereitet (der Hof bestand aus zwei teilbaren Plätzen, das Trenngitter war am Nussbaum in der Mitte befestigt. Im hinteren Teil wuchsen mehr Brennnesseln als im vorderen.). Als Ergänzung zum Futter gab es gestampfte, gesottene Kartoffeln und zugekauftes Futter (Getreidespelzen). Für den Samstagnachmittag (nachdem alle sonstigen Aufgaben erledigt waren) stand noch das ausmisten des Stalles / der Ställe an (manchmal durfte das Federvieh auch zwei oder drei Wochen im Teilgepflegten Stall leben). Hühnermist war ein begehrtes Düngemittel für den Garten, er wurde in einem grossen Fass mit Brennnesseln, Wasser und sonstigen Ingredienzen angesetzt. Nach einiger Zeit konnte diese Brühe zum düngen praktisch aller Pflanzen verwendet werden. Durch das absetzen / gären verlor die Brühe etwas an schärfe, die empfindlichen Jungpflanzen wurden bei der Düngung nicht gleich verbrannt. Auf der Westseite der Waisenhausstrasse befand sich die Liegenschaft des Bauern Bischof (später Suter). Die obere Ecke war ein grosser Garten, ein rechter Teil davon wurde von einer Familie Walz bewirtschaftet. Häufig war Vater Walz mit einem seiner Söhne in seinem Schrebergarten. Er war ein Abnehmer von «meinem Hühnermist», ich glaube, dass er uns (im Gegenzug) das Rezept zum ansetzen dieser Düngerbrühe empfohlen hat. Hin und wieder (ca. alle drei Monate) fragte «Liese» nach [i]Poulet, 3 – 4 Hühner waren «waren fällig». Im Schopf wurde ein Zuber (Holzstande) mit siedend heissem Wasser gefüllt, ich suchte diejenigen Hühner, welche ich «opfern» wollte, aus. (meine Selektion war nicht immer die Beste, Hühner die sich Mausern, müssen nicht unbedingt schlechte «Leger» sein.) Schnell machte die Information die Runde, einige Kinder waren vor den Hühnern am «Exekutionsplatz».

Die «Show» konnte beginnen.
Ein Huhn wurde an den Beinen gehalten und (zur Betäubung) einige Male stark im Kreis geschwungen. Nachdem es betäubt war (konnte leicht überprüft werden), trennte ein gezielter Schlag mit der Axt auf dem Scheitstock den Kopf vom Leib. Die Muskelkontraktionen bewirkten ein flattern der Flügel und ein intensives bewegen der Beine. Die Anwesenden erwarteten eigentlich nur, dass ich das Huhn jetzt Kopflos «flattern lasse» (was ich zu deren Gaudi auch tat). Nachdem diese «Attraktion» vorbei war, wurde jedes Huhn einzeln im heissen Wasser getaucht. Anschliessend gerupft und (ohne verletzen der Gallenblase) ausgenommen landeten die Tiere anschliessend in der Küche. Am nähsten (oder übernächsten) Tag genossen wir sicher eine kräftige Hühnersuppe, einen Tag später war «Poulet» (Hühnerfleisch) auf dem Teller.

der Schopf:
29.03.2011 Die Werkstatt
Im nördlichen Erdgeschoss – Teil des Schopfes befand sich ein Raum von ca. 50 m2. Diese ehemalige Waschküche mit einer grossen zweiflügeligen Eingangstüre, zwei Fenstern gegen Norden und eines gegen Osten diente uns als Abstellraum. Die grossen Holzbottiche, welche im Sommer ins Freie getragen, mit Wasser gefüllt, von der Sonne erwärmt und als «Planschbecken» für die Kleinen dienten, waren darin gelagert. Des weiteren fand sich im Raum noch die ganze ehemalige Infrastruktur (holzbefeuerter Waschhafen, wasserbetriebene Schwinge, Aufhängeleinen, etc.). Eines Tages präsentierte uns die Oberin (Schwester Alvarez) einen ca. 30-jährigen Mann. Sie stellte uns diesen als einen ehemaligen Zögling von Rathausen vor. Eduard Steiner wollte mit uns aus der alten Waschküche eine Holzwerkstätte machen. Durch aktive Mithilfe könnten wir sicher sehr viel lernen, Eduard würde jeweils die geeigneten Kinder auswählen. Später würde Eduard Steiner mit all jenen, welche möchten, auch Holzwerken.
Wir waren hell begeistert, schon bald wurde der alte Kaminzug abgebrochen und der Boden ausgeebnet. Zwischenzeitlich lernten wir auch Eduards Frau und sein kleines Töchterlein kennen (Regina ?), er nahm diese hin und wieder mit ins Heim, die Familie wohnte nicht all zu weit entfernt an der Paradiesstrasse Der Umbau machte Fortschritte, es konnte mit dem Herstellen der Inneneinrichtung begonnen werden. Die Tischfraise stellten wir selbst her (einzig das Wellenlager wurde als fertige Einheit gekauft), ebenso Werkzeugschränke und die Hobelbank. Häufig kam Eduard ohne Familie, jedoch in Begleitung eines jungen Mannes. Rene F. (welcher in der Starrag) arbeitete, half bei speziellen Arbeiten, er montierte mechanische Komponenten, justierte den Sägenmotor, passte irgendwelche Teile an. Irgendwann war die Holzwerkstatt fertig, die Geräte vorhanden.

Aus meiner Sicht war der ganze Umbau für alle Beteiligten sehr interessant und lehrreich. Obwohl Eduard (knapp oder mehr als) doppelt so alt wie wir war, herrschte sowohl zwischen der Oberin, als auch zwischen uns und ihm ein «offenes Verhältnis», er war uns irgendwie nahe. Seine Frau, seine Tochter, – ehemaliger Zögling, – engagiert sich heute am neuen Wirkungsort seiner ehemaligen «Erzieherin», alles normal, keine Sorge. Der junge Begleiter, – rein Kollegial.

Eduard Steiner hat sich sehr stark eingesetzt, zu Beginn schildere ich meine Erlebnisse (in loser Folge werden diese durch Berichte von sowohl betroffenen Knaben, wie auch von Mädchen ergänzt). Unter einem fadenscheinigen Grund war meine Mithilfe in der Wohnung an der Paradiesstrasse gefragt. Selbstverständlich durfte ich am Mittwochnachmittag (die Schulaufgaben wurden auf «später» verschoben) dort vorbeigehen. Rückblickend fasse ich zusammen: meine Mithilfe war eine Lappalie, ich wurde (in ermangelung eines Stuhles oder einer Leiter um daraufzustehen) von Eduard hochgehoben (die Art und Weise fühlte sich irgendwie komisch an, aber ich «durfte ja helfen») um eine Lampe (mit Lüsterklemmen) anzuschliessen. In der spartanisch eingerichteten Wohnung habe ich eigentlich nur einen Raum mit einer Matraze auf dem Fussboden gesehen.

05.04.2011 Die Werkstatt (Fortsetzung und vorzeitiger Schluss)
Eigentlich erhofften viele von uns eine zusätzliche Abwechslung in unserem Alltag. Das eine oder ander Kind hat sich seinerzeit sicherlich ausgemahlt, was man da schönes machen könnte. Leider wurde in dieser Werkstatt nie etwas hergestellt, die Werkzeuge blieben in den Schränken. Obwohl die Werkstatt mit drei Fenstern versehen war, fanden sich manchmal sowohl die Fensterladen wie auch die Türe verschlossen vor. Was in diesem Raum mit einzelnen «gemacht» wurde, entsprach nicht dem ursprünglichen Verwendungszweck. Einzelne Kinder trauten sich, mit anderen darüber zu sprechen, das eine oder andere Mädchen wurde «zum Untersuch» zu einem älteren Arzt, welcher seine Praxis im Bereich Promenaden- / Heidenerstrasse hatte, geschickt. (normalerweise suchten die «Heimkinder» einen Arzt auf, dessen Praxis im «Hochhaus» mit Lift !!an der Gabelung Thurgauer- / St. Gallerstrasse befand. Dieser Arzt machte bei Bedarf auch Hausbesuche). Zusammen mit weiteren Vorfällen ausserhalb des Hauses, (einige, meist durch E.St. ausgewählte Kinder durften diesem verschiedentlich helfen. So z.B. einmal vor Ostern zwei Knaben. E.St. hatte am Langmoosweg ein älteres schnuggeliges Häuschen erworben (??). Dieses war zu renovieren, altes Täfer und alte Mauern raus, anschliessend sollte einiges neu gebaut werden. Nachdem die zwei Kandidaten eingetroffen, die vorgesehenen Arbeiten besprochen waren, wurde der Eine «zum posten» geschickt. Mit einem «rechten Batzen» durfte er in der MIGROS für beide Knaben je einen Osterhasen und Schokoladen-, sowie Marzipan- «Eili» holen, für St’s Frau und Tochter waren auch einige Kleinigkeiten dabei. Der Weg zum Laden und zurück dauerte eine rechte Zeit, diese nutzte St.um den anderen Knaben im Obergeschoss des Umbauobektes zu schänden. Als «Belohnung» oder «Schweigegeschenk» erhielt jeder «sein Ostergeschenk». Am Häuschen wurde an diesem Tag nicht gearbeitet, irgendwie beklemmt kehrten die zwei ins Heim zurück.

Was wir gelernt haben, – über solche Vorfälle spricht man nicht, man soll «keine Lügen» verbreiten. Trotzdem, unter uns Kindern wurde mit der Einen, dem Anderen gesprochen, blieb nicht unbemerkt, dass hin und wieder ein Kind (vor allem Mädchen) «Probleme hatte». Wie oben erwähnt, der Initiant E.St. verschwand irgendwann aus dem Umfeld, die Werkstatt kam nie zum vorgesehenen Einsatz, sie stand grösstenteils leer.

Dieser Begriff wird in mehreren Folgen abgehandelt, einige vor allem die Werkstatt bzw. deren Umfeld (mit Eduard Ste…. ) «ich respektiere jederzeit und absolut Eure Persönlichkeit, verwende also nur (fiktive) Namen. Will jemand wirklich keine (unter Insidern nachvollziehbare Erwähnung, => bitte sofort melden Mail: poldi.r@bluewin.ch).

muss mal einen Moment ausspannen, etwas Luftwechsel haben. Das vorstehende Thema (vor allem die Feedbacks) wühlt mich stark auf. Ich glaubte, über all dem zu stehen, muss aber feststellen, dass Einige mit dem erneuten Aufgreifen ihrer Erlebnissen an «meine Haut gehen». Ich weiss aus über 40-jähriger Erfahrung, dass ich wohl meinen Part verarbeitet habe, stelle jedoch mittlerweile fest, dass gewisse – mich nicht «direkt» betreffende – «Altlasten» aber trotzdem noch immer «hochkommen». Auch ich bin nur ein Borderliner. Trotzdem, – das Thema wird weitergeführt, – bis bald.

Knickerbocker:
02.04.2011
Obwohl nicht mehr stark verbreitet, fanden hin und wieder Hosen der Spezies «Knickerbocker» Hosen mit einer Art Beinabschluss unter dem Knie und einer herunterhängenden Rüsche, – bei mehr Wissensbedarf bitte «GOOGELN», vor allem über «Kleiderspenden» (Entrümpelungen) den Weg ins Heim. Eigentlich waren diese «Plumphosen» recht praktisch, locker und zweckmässig. Auf der Strasse, vor allem aber in der Schule machte man sich damit zum Gespött. Einige der Knaben erhielten also diese Kleidungsstücke, so auch ich. Praktisch waren die (mindestens) vier Taschen, locker sass die Hose ohne zu zwicken, zweckmässig lässt sich unterschiedlich definieren. Ein Zögling hatte häufig Probleme, sich unter gewissen Umständen «zu Erleichtern». Wurde er auf dem WC durch Geräusche im Vorraum gestört (was bei dieser Kinderschar nicht ungewöhnlich ist), ging «nichts mehr». Später konnte er jedoch in einer Ecke sitzend – in aller Ruhe in die Hose scheissen. Dank den Knickerbockern liess sich solches Ungemach besser lösen, – er schiss in die Beinstrümpfe und entfernte «das Geschäft» anschliessend ohne grosses Aufsehen (wer’s gesehen oder gerochen hat, wusste was los war).

Zweckmässig sollte meine Knickerbocker sein, als eine der vorderen Taschen ein Loch gegen innen hatte. An einem Samstag (ca. 1963) konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, mit zwei grossen Taschen voller defekter Schuhe sollte ich zum Schuster an der Löwenstrasse gehen. Zwischen der Waisenhaus- und der Promenadenstrasse ist ein steil abfallender Fussweg, am unteren Ende links befand sich eine MIGROS – Filiale. Ich gehe als rein, suche zielstrebig das Gestell mit dem Brausepulver (das TIKI von MIGROS), nehme einige Beutel in die defekte Hosentasche und stopfe meine Beute durch das Loch in die Beinstulpen. Ohne Probleme kann ich die Kasse passieren «ich habe nichts gekauft» aber geklaut !! vermittelnd gehe ich an der Kasse durch. Wie ich den Laden verlassen will, werde ich von der Filialleiterin (ich glaube, sie hiess Frau Lutz) zurückgehalten und in ihr Büro gebeten. Shame, shame over me Da versuche ich mich einmal im klauen, praktisch alle in der Klasse konnten sich TIKI oder eben dieses PRIMA leisten (10 Rappen pro Packung, mir fehlte schlichtweg das Geld) und werde prompt dabei erwischt. Hosen runter, Diebesgut (einen rechten Teil wollte ich für die übrigen Kinder, ein wenig für mich, – ich meine, es waren maximal 10 Päcklein, also wertmässig 1 Fr.) raus und mit hochrotem Kopf Name, Vorname, Wohnort («aha än Waisehüsler») angeben, das Formular wurde ausgefüllt.

Meine grösste Sorge: hoffentlich hat das keine Konsequenzen für meine Mutter (sie arbeitete zu jener Zeit in der Betriebszentrale St, Fiden die heutige Betriebszentrale MIGROS – Ostschweiz in Gossau befand sich damals beim Bahnhof St. Fiden / St. Gallen) Meine zweitgrösste Sorge: hoffentlich erfahren die Nonnen nichts von dem, hoffentlich kann ich das für mich erledigen, als Sünde beichten (und nie mehr so etwas tun). Einmal «kräftig» gebeichtet, für mich war’s erledigt. Das ganze hatte keine Konsequenzen für meine Mutter, die Nonnen haben (meines Wissens) nie etwas davon erfahren, selbst als ich (ca. 10 Jahre später) in der Betriebszentrale Gossau angestellt wurde, wusste niemand davon. Das Klauen habe ich denjenigen, die es «als Amtshandlung, als bonusbelohntes Raffen, etc.» beherrschen / ausführen, überlassen.

Fräulein Elisabeth (Liese):
11.04.2011
So lange ich mich entsinnen kann, war Fräulein Elisabeth ( unter uns Liese genannt) für die Küche verantwortlich. Sie verstand es, aus allem etwas zu machen, was auf den Tisch kam, konnten wir essen (und wurde gegessen). Natürlich stand ihr kein grosses Budget zur Verfügung, mit wenigen Rappen pro Kind / pro Tag sollte sie etwas herzaubern. Wie weiter oben erwähnt, waren wir in vielen Bereichen Selbstversorger. Brot , Fleisch und Milchprodukte wurden zugekauft. Aus Kostengründen fand sich auf dem Frühstückstisch Margarine statt Butter (und auch diese in Röllchen portioniert, – pro Kind [maximal] 2 Stück). Dafür stellte Liese hin und wieder Yoghurt her. Küchenabfälle und gewisse Rüstabfälle wurden in einem Kessel jeweils am Abend zum Milchmann Waldburger mitgenommen. Während unsere 2 Milchkessel (à je 10 Liter) ausgemessen wurden, amüsierten wir uns mit den (sich im gleichen Raum befindlichen) Schweinen, für welche wir schliesslich die Abfälle gebracht haben. Auch mit dem Fleisch (oder das, was dem Waisenhaus als solches angedreht wurde), musste haushälterisch umgegangen werden. Einerseits kam nur an einem Wochentag und immer am Sonntag Fleisch auf den Tisch, andererseits sollte die gekaufte Menge für alle reichen (mit Sauce, Saucengemüse und «Chindlifleisch» [hartes Altbrot wird als grosses Stück in der Sauce mitgekocht] gaben jeweils noch genug «Zuschlagsstoff»).

Alles, was auf den Tisch kam, war geniessbar, – jedenfalls für mich, ich hatte keine Probleme. Bei Siedfleisch, Braten , Voressen oder was auch immer teilte ich gerne «das Fleisch» in kleine Portionen, welche von den Anderen gerne im Tausch gegen «Gschlämp» durchzogener Teil vom Siedfleisch) oder Fettteile vom sonstigen Fleisch eingetauscht wurden. Heute würde man sagen: ich hatte viel minderwertiges, die Anderen wenig hochwertiges. Im Spätherbst / Winter / Frühling 61 / 62 (ich weiss nur noch, dass es kalt war) fand sich eine Familie (Frau, Mann, kleines Mädchen) im Heim ein. Es seien arme Leute, welche aus ihrer Heimat fliehen mussten, beim hiesigen Pfarramt angeklopft und nun zu uns geschickt wurden, war unsere Information. Diese Leute sprachen «Hauchdeutsch», in ihrer ürsprünglichen Heimat würden sie verfolgt, weil dort eine Mauer gebaut werde, könnten sie auch nicht mehr zurück. Liese erhielt einige Tage frei, (sie konnte ihre Angehörigen im solothurnischen Deitingen, von dem sie immer erzählte, besuchen) die eingetroffene Frau sei wie ihr Mann mit Kochen bestens vertraut. Am nächsten Mittag kam eine graufarbene Pampe auf den Tisch, die Konsistenz erinnerte entfernt an Kartoffelstock, der Geschmack war jedoch nicht zu definieren. «Der Hunger ist der beste Koch» sagt das Sprichwort, lustlos haben wir ein wenig davon gegessen, – ein grosser Teil blieb in den Schüsseln (was praktisch nie vor kam, – im Gegenteil). Diese Familie hat schnell eine andere Lösung gefunden. Der Mann wurde in der Küche vom Hotel Anker angestellt, hatte im Haus ein Personalzimmer und wohnte während langer zeit mit seiner Frau und seiner Tochter dort. Dass Liese ihre Wäsche (vor allem die Strümpfe, diese konnte man riechen) zum wechseln statt in ihrem Zimmer (sie war etwas korpulent, vermutlich waren die vielen Treppen nach oben etwas anstrengend) in den Vorratsschränken und Truhen aufbewahrte, wussten viele von uns, einige hatten auch Kenntnis von den «Untermietern» in diesen Behältern. Obwohl sich das Mehl, die Haferflocken, Griess und Polentamais, sowie noch einige andere Lebensmittel «bewegten», wir habens überlebt, vielleicht hat gerade dies uns abgehärtet und immunisiert. Trotz allem, alle mochten Liese, sie hat uns bekocht, hin und wieder etwas zugesteckt, sie war für uns ok.

Vergessen und verzeihen können,es wäre vieleicht das Rezept gewesen für ein einigermassen glückliches Leben.Vieleicht! Aber Kinder die so mit Füssen getreten wurden,denen jegliches Selbstwertgefühl genommen wurde,die nichts wert waren,das kam mann oft genug zu hören und zu spüren,wie soll aus diesen Kindern ein «gesunder Mensch werden».Irgendwie tut es gut wenn man darüber sprechen kann. Aber wen ich jetzt so die Berichte lese dann überkommt mich eine grosse Traurikeit weil ich merke,dass wird nie zu Ende sein.Das werden wir immer mit uns herum tragen.

Lilly
07.03.2011

Das Refugium,ja zu diesem spezielen Raum gibt es auch eine mehr oder weniger lustige Geschichte.Es gab da eine gewisse Mutprobe,und zwar musste man in eben das gewisse Kämmerchen unter dem Tisch sitzen und warten bis eine Schwester herein kam.Dann muste mann ihr unter den Rock schauen und wer mehr Tetails wusste war natürlich der GRösste.Das haben uns kleinen Mädchen die Buben mit dem grössten stolz erzählt.Ob es wahr ist ,wer weiss. Die grosse Spielwiese,die wurde gemacht als Tanti das Zepter übernahm.Spielen durften wir ja nie wirklich viel darauf.Ausser wenn wir mussten.Die Nachbarn des Kinderheims haben des öfteren Meldung gemacht beim Fürsorgeamt,weil sie uns fast nie draussen sahen beim spielen.Bis wir die Aufgaben gemacht hatten,wir Mädchen die Stunde gestrickt hatten gab es schon Nachtessen.Nachher wieder die Aemtchen da blieb nicht mehr viel Zeit zum spielen.Ehrlich gesagt war das auch nie so lustig mit den Buben zu spielen.Meisstens machten wir Völk und das war der grösste Spass für die uns den Ball so richtig scharf um die Ohren zu schlagen.
Lilly
11.03.2011

Das Hühnergehege war mein absoluter Lieblingsplatz er war hinter dem Schopf und somit aussre Sichtweite.In der Mitte dieses Geheges stand ein grosser Nussbaum.Die Nüsse die am Boden lagen habe ich geöffnet und den Hühner gefüttert.Ich musste noch nicht zur Schule und somit konnte ich meisst den ganzen Vormittag dort verbringen.Des öftern suchten mich die Kinder weil ich das Mittagessen sonst verpasst hätte.Bei den Schwestern war das noch erlaubt,dass man sich für eine gewisse Zeit verkrichen konnte.Der Hühnerstall war ein gutes Versteck,denn dort kam nicht so schnell Jemand herein,weil es doch sehr schlecht gerochen hat.

Lilly
24.03.2011

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