Aufarbeitung in den Kantonen

Für einige gravierende Macht­missbräuche durch unkontrollierte und institutionell gedeckte Täter:­innen, haben sich die Nachfolger:­innen der damals Verantwortlichen in den betroffenen Kantonen bei den Geschädigten entschuldigt.

In der Schweiz erhielten zuerst Jenische zwischen 1988 bis 1993 eine so genannte Wiedergutmachung in Form einer Auszahlung in der Höhe von 2’000 bis 20’000 Franken von zwei Fonds­kommissionen. Die Jenischen wurden mittels Kinds­wegnahmen, Fremd­platzierung in Heimen und Anstalten, als Verding­kinder oder als Adoptierte systematisch und gezielt aus ihrer Herkunft­skultur gerissen. Einige wurden auch einer Zwangs­sterilisation unterzogen.

Nach den Zahlungen an die verfolgten Jenischen begannen auch einzelne Gemeinden und Kantone als Gesten der Wieder­gut­machung an Einzelpersonen, die als Opfer fürsorgerischer Zwangs­massnahmen geschädigt wurden, Zahlungen von bis zu 13’000 Franken pro Person auszurichten. Einige Städte und Kantone wie Zürich, Winterthur, Kanton Waadt oder St.Gallen, zahlten erste Wiedergut­machungs­beiträge oder kleinere Beträge für spezifische Nothilfe. Dazu gehörten Beiträge an Zahnprothesen, Pflegebetten, Kuraufenthalte oder Ähnliches.

Nach Forschungsprojekten zur Verfolgung der Jenischen sowie zur Vormundschafts- und Psychiatrie­geschichte, haben der Nationalfonds und der Kanton Bern Projekte zur Geschichte der Verding­kinder bewilligt, andere Kantone zeigten ihre Bereitschaft zur Mitwirkung.

Auswahl an Entschul­digungen und Projekten zur Aufarbeitung in den verschiedenen Kantonen:

1986

Bundespräsident Alphons Egli entschuldigte sich am 3. Juni 1986 bei den jenischen «Kindern der Landstrasse», die ab 1988 geringfügige Summen als «Wiedergutmachung» erhielten.

1999/2000

Der Kanton St. Gallen richtete unter dem Titel «Wieder­gutmachung», Zahlungen im Gesamt­betrag von einer halben Million Franken an einige schwer misshandelte Heimkinder aus.

2002

Die Zürcher Stadträtin Monika Stocker entschuldigte sich am 12. März 2002 bei den Opfern von Zwangsmassnahmen, wie Zwangs­sterilisationen, Anstaltseinweisungen und Kindswegnahmen, welche die Stadt­zürcher Vormundschafts­behörde in früheren Jahrzehnten durchgesetzt hatte.

2010

Am 10. September 2010 entschuldigte sich Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf zusammen mit kantonal Zuständigen in Hindelbank bei den dorthin administrativ Eingewiesenen.

2011

Die Berner Regierung hat sich am 15. März 2011 bei den Berner Verding­kindern entschuldigt und eine weitere Publikation zur Aufarbeitung ihrer Geschichte vorgestellt.

2012

Der Staatsrat des Kantons Freiburg hat sich am 9. Juli 2012 offiziell bei den misshandelten ehemaligen Verding-, Heim- und Pflegekindern entschuldigt.

Die Luzerner Regierung hat sich für die Gewalt und die Missbräuche in Luzerner Kinderheimen wie dem von Rathausen oder in Erziehungs­anstalten wie Sonnenberg (Kriens) oder St. Georg (Knutwil) entschuldigt und die historische Aufarbeitung durch die Päda­gogische Hochschule Luzern in die Wege geleitet.

2013

Die Schwestern von Ingenbohl haben ein Gremium zur historischen Aufarbeitung der von ihnen geführten Anstalten zusammen­gestellt. Der Bericht stiess auch auf Kritik, weil er versucht, die Glaubwürdigkeit der Aussagen ehemaliger Heimkinder zu schmälern. Die Aussagen von ehemaligen Schwestern werden jedoch nicht hinterfragt.

Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat sich am 22. Februar 2013 bei den admini­strativ Versorgten entschuldigt und empfiehlt eine historische Aufarbeitung durch eine unabhängige Kommission unter Einbe­zug der Geschichte der Verdingkinder.

Am 11. April 2013 entschuldigten sich Bundesrätin Simonetta Sommaruga, Bischof Markus Büchel als Vertreter der Landes­kirchen, der Präsident des Bauern­verbands sowie weitere Vertreter:­innen der Kantone, Gemeinden und Heim­verbände, bei Opfern fürsorgerischer Zwangs­massnahmen vor 1981.

2014

Der Kanton Glarus hat sich am 11. März 2014 offiziell bei den Opfern fürsorgerischer Zwangs­massnahmen entschuldigt und einen Bericht zu den Missständen im Kinderheim Santa Maria Diesbach veröffentlicht.

Im Kanton Thurgau befasst sich eine Forscher­gruppe mit den Misshandlungen von Kindern im Klosterheim Fischingen sowie mit Experimenten zum Testen neuer Medikamente der Pharmaindustrie an Patient:innen. Darunter waren auch Heimkinder der psychiatrischen Anstalt Münsterlingen.

Am 5. Mai 2014 präsentierte Dr. Thomas Meier, zusammen mit Roman Müggler und Werner Ibig vom Verein Kloster Fischingen, Regierungsrat Claudius Graf-Schelling, Luzius Mader, Präsident des Runden Tischs, Prior Gregor Brazerol (Fischingen) und Abt Christian Meyer (Engelberg) den von ihm sowie Martina Akermann, Sabine Jenzer und Janine Vollenweider erstellten Bericht «Kinderheim und Sekundarschule St.Iddazell. Historische Untersuchung».

Betroffene waren nicht eingeladen worden, einige kamen dennoch. So fanden die Entschuldigungen seitens der Verantwortlichen auch Adressaten. Es werden 250’000 Franken in den Soforthilfefonds des Runden Tischs einbezahlt.

2015

Der Kanton St. Gallen präsentierte im November 2015 einen von Sybille Knecht erarbeiteten Bericht zur Geschichte der Zwangsarbeits­anstalt Bitzi bei Mosnang von 1872-1970.