Periodisch nimmt die schweizerische Öffentlichkeit Kenntnis von schwerwiegenden Missständen, Missbräuchen und Übergriffen im Sozialbereich. Häufig sind Kinder die Hauptbetroffenen. Die Waisenhäuser, Kinderheime und Erziehungsanstalten der Schweiz waren immer wieder mit Geschichten von demütigenden Misshandlungen und brutalen Übergriffen verknüpft. Es ist wichtig, diese verdeckten Vorgänge in die gesellschaftliche Wahrnehmung zu rücken, um auf Verbesserungen hinzuarbeiten.
Aufarbeitung als wichtiges Instrument zur Prävention
Die Dokumentation und gesellschaftliche Wahrnehmung des in der Vergangenheit geschehenen Unrechts und seiner Hintergründe, ist ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung solcher Gewalt gegen Kinder in Gegenwart und Zukunft.
Deshalb startete die Guido Fluri Stiftung dieses Projekt zur Aufarbeitung der Geschichte der Kinderheime in der Schweiz. Ziel der Plattform ist es, die Geschichte der Fremdplatzierung von Kindern, und insgesamt des Bereichs Kinderheime, Erziehungsanstalten, Pflegekinder, Verdingkinder usw. im Überblick, aber auch in konkreten Einzelschicksalen, darzustellen. Denn die Betreuung dieser Kinder war bis in die späten 70er Jahre von schweren Mängeln gekennzeichnet.
Neben Archivstudien und Literaturrecherchen steht vor allem die Dokumentation der Stimmen von Betroffenen im Vordergrund des Projekts. Aussagen der ehemaligen Heimkinder wurden in Interviews und Fragebogen erfasst und der Historiker Thomas Huonker dokumentierte selbstverfasste Berichte und Autobiografien von Betroffenen. Ein Teil der umfassenden Ergebnisse dieser Recherche von 2010 bis 2013 sind auf dieser Webseite öffentlich zugänglich. Die Webseite wurde 2013 aufgeschaltet und 2022 neu gestaltet.
Weitere Meilensteine der Aufarbeitung
Einige Meilensteine zur Aufarbeitung dieses düsteren Kapitels der Schweizer Geschichte sind seit der Lancierung dieses Projekts im November 2010 zustande gekommen.
So erhielten am 6. September 2013 vier Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen den Prix Courage des Schweizerischen Beobachters. Ursula Biondi, Jean-Louis Claude, Walter Emmisberger und Bernadette Gächter setzten sich seit Jahren für die Aufarbeitung und Entschädigung des erlittenen Unrechts ein. Mit ihrem Schritt an die Öffentlichkeit machten sie auch anderen Mut und standen für jene ein, die nie oder lange nicht die Kraft hatten, sich zu wehren.
Am 8. September 2016 präsentierte Bundesrätin Simonetta Sommaruga eine Sonderbriefmarke zum Gedenken an die Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen vor 1981. Sie wurde von Beat Kehrli gestaltet. Der Wert beträgt 1 Franken, der Zuschlag beläuft sich auf 50 Rappen. Der Ertrag aus dem Zuschlag geht vollumfänglich an den Fonds für Soforthilfe.
Weiter sind die Bildung der Unabhängigen Expertenkommission zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der administrativen Versorgung sowie vor allem deren Abschlussbericht, weitere nationale Forschungsprojekte wie das NFP “Fürsorge und Zwang – Geschichte, Gegenwart, Zukunft” sowie die Zahlungen an die Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen zu nennen.